Süsse Chilbi-Zeit
Landauf, landab ist Chilbi-Zeit! Budenzauber und Markttreiben bringen Abwechslung in den Alltag und wirbeln alle unsere Sinne auf. Ein Blick in die bonbonfarbenen Auslagen der Marktstände versüsst den Augenblick: Sehen Sie, staunen Sie, treten Sie näher und greifen Sie zu! Die typischen Chilbi-Spezialitäten sind eine kleine, süsse, nostalgische Sünde wert.
Erinnerungen an die Chilbi
Man hört Kinderlachen, die Orgelmusik des Karussells, das Anpreisen der Händler. Zuckersüss und bonbonfarben locken die Süssigkeiten in den Auslagen kleine und grosse Kundschaft an. Würzige Düfte strömen vom Gewürzhändler bis zum Wurststand und vermischen sich mit herben Röstaromen. Blinkende Lichter, die bunte Szenerie und intensive Gerüche sprechen alle unsere Sinne an. Die Chilbi-Zeit ist wieder da und mit ihr eine Menge Leckereien, die Erinnerungen an die Kindheit wachrufen.
Chilbi lässt Kinderherzen höherschlagen, denn sie verheisst einen schulfreien Nachmittag und einen Spaziergang durch ein kulinarisches Schlaraffenland: Mit festem Griff hielten wir einst das Chilbi-Geld in der Hand, während wir durch die Stände flanierten und in das Gewirr von Leuten, Ballons, Farben und Lichtern eintauchten.
Einst war die Chilbi (von Chilch-Wihi, Kirchweih) die Eröffnungsfeier der Kirche im Dorf, die dann jedes Jahr begangen wurde. Zu einem jährlichen Fest wie diesem, das mit Leckereien und Spass verbunden ist, sagt niemand nein.
Kultige Retro-Schleckereien
Grosse Kinderaugen bestaunen die Auslagen: regenbogenfarbige Lutscher, so gross wie Untertassen, Zuckerperlen, abgefüllt in Mini-Babyflaschen, türkischer Honig, Süssholz, Schleckmuscheln mit zuckrigem Innenleben und nicht zu vergessen die bekannten Zuckererdbeeren: Nie war die Zunge röter als nach dem Genuss der knalligen Zuckerknollen! Die Mädchen werfen ein besonderes Auge auf die Kirschen, zwischen deren süssen Früchten ein Fingerring mit einem roten Stein hängt, den sie stolz wie eine Prinzessin tragen, wenn sie die eine Kirsche gegessen haben.
Zu den Klassikern gehört auch die Zuckerwatte, die ihren Weg mittlerweile auf trendige Dessertkreationen der besten Restaurants gefunden hat. Der gesponnene Zucker ist für Kinder ein Vergnügen, und eine Zuckerwatte beinhaltet mit nur 5g weniger Zucker als eine Glace - wer hätte das gedacht?
Der edle Nougat de Montélimar aus Lavendelhonig und Eischnee, verfeinert mit Mandeln und Pistazien, mit seiner klebrig-cremigen Konsistenz, oder die typisch schweizerischen Rahmtäfeli dürfen auf der Liste der besten Chilbi-Klassiker nicht fehlen.
Messmocken: Zuckerbäckerkunst
Vor allem in der Region Basel sind die gefüllten Basler Mässmogge auf der Chilbi und an Märkten zu finden. In Himbeerrot, Zitronengelb, Mandarinenorange, Brombeerviolett, Schokobraun und Minzgrün liegen die gestreiften Süssigkeiten in Reih und Glied in einer Schachtel. Eine eigenwillige Kombination von einer leicht zitronigen, fingerlangen Zuckerhülle mit einer cremigen Nougatfüllung in der Mitte - der Basler Messmocken!
Bis heute wird die Basler Süssigkeit von Hand und mit den ursprünglichen mechanischen Maschinen nach dem Originalrezept geknetet, gefaltet und mit Riesenscheren zerschnitten. Der eine Teil der Masse wird eingefärbt, der andere wird in einer Zuckerziehmaschine so lange bearbeitet, bis er von einer transparenten zu einer weissen, zähen Masse geworden ist. Nun werden die beiden unterschiedlich farbigen Zuckerblöcke wieder ausgewalzt und ineinandergefaltet, bis schliesslich die typischen Streifen der Mässmogge entstehen. In dem kleinen Zuckermocken steckt also viel Arbeit und echte Zuckerbäckerkunst.
Kindertraum Schoggifrüchte
Dies war erst der Anfang von all den Naschereien, die noch auf Käufer warten. In der nächsten Auslage glänzen einem rote Äpfel mit einem spiegelglatten Caramelüberzug entgegen, und daneben sind in Schokolade getauchte Früchte aufgereiht: Bananen, Ananas, Erdbeeren, Birnen kommen aus dem Schoggibad. Manche werden sogar noch in gehackten Haselnüssen gedreht. Da wird einem beim Entscheiden ja ganz schwindlig. Ein Ritt auf dem Karussellpferd zwischendurch lässt die bunte Welt sich noch mehr drehen.
Vom Süssen zum Salzigen
Von der Gasse nebenan weht ein würziger Geruch herüber, der hungrig macht. Auf einem Grill bräteln saftige Cervelats und Bratwürste, dazu serviert der Metzger ein knuspriges Bürli und etwas scharfen Senf. Daneben lockt eine Auswahl an asiatischen Köstlichkeiten: Denn von der Frühlingsrolle bis zum Thai-Curry gehören auch diese mittlerweile zu den typischen Jahrmarktspezialitäten. Oder lieber eine Crêpe mit einer von 20 möglichen Füllungen? Die Auswahl fällt schwer, wenn die frisch gebackenen Öpfelchüechli mit dem Schnitzelbrot mit feiner Cocktail-Sauce konkurrieren müssen.
Magenbrot - süss und würzig
Mit einer Tüte gebrannter Mandeln bleibt man schliesslich vor dem Stand vom Billigen Jakob stehen, der in bewundernswertem Rekordtempo Gemüse raffelt oder alte Pfannen zum Glänzen bringt.
Vor dem Heimweg besorgt man sich schnell eine Tüte Magenbrot, um auch zu Hause noch etwas Chilbi-Duft schnuppern zu können. Es wird seit Jahrzehnten in den traditionellen rosa Säcklein angeboten. Früher wurde für den Magenbrotteig altes Brot verwertet. In einer Mischung aus magenfreundlichen Gewürzen wie Zimt, Muskatblüten, Nelken und Sternanis und für den guten Geschmack Kakaopulver, Orangeat und Zitronat wurden die Brotresten gewendet und geröstet. Heute wird für die Herstellung von Magenbrot Mehl verwendet. Es kann auch Honig enthalten, Hauptgeschmacksträger ist aber - anders als z.B. beim Lebkuchen - gewöhnlicher Zucker.
Rezept: Magenbrot
Zu diesem Rezept gibt es ein Betty Bossi Rezept-Video!
Text: Jeannine Hegelbach
1. Oktober 2012/6. September 2011
Rezept
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