Ein Birchermüesli zum Znacht
Vor gut hundert Jahren entwickelte der Zürcher Arzt Maximilian Bircher-Benner (1867-1939) das Birchermüesli. Der Gründer des Sanatoriums «Lebendige Kraft» am Zürichberg und Ernährungsreformer nannte die Kreation «d Spys» oder «Apfeldiätspeise». Das ursprüngliche Rezept besteht nur aus Äpfeln, Haferflocken, Haselnüssen, Wasser, Zitronensaft und gezuckerter Kondensmilch. Als überzeugten Vertreter einer vegetarischen Rohkosternährung waren für Bircher-Benner die mit Schale und Kerngehäuse frisch geriebenen Äpfel der Hauptbestandteil und nicht etwa die Getreideflocken.
Das Birchermüesli wurde innert kurzer Zeit populär. Ab den 1940er und 1950er Jahren tischte es fast jede Deutschschweizer Hausfrau ihrer Familie zum Abendessen auf. Und auch die Küchen von Gefängnissen, Heimen, Klöstern und des Militärs hatten es regelmässig auf dem Menüplan. Schon in den 1920er Jahren stand das Birchermüesli auf der Speisekarte von vegetarischen Restaurants wie dem legendären «Gleich» oder dem bis heute florierenden «Hiltl» in Zürich.
Betty Bossi Apfel-Raffel Clever, handlich
Aus dem Znacht wird ein Zmorge oder Snack
Schon bald wichen die Birchermüesli-Rezepte vom Original ab. Statt der traditionellen Haferflöckli wurden zunehmend die schon seit den 1940er Jahren existierenden industriell hergestellten Müesli-Trockenmischungen verwendet, und anstelle der Kondensmilch gab man Joghurt, Zucker oder Rahm bei.
Das Birchermüesli kommt immer weniger zum Znacht auf den Tisch. Heute wird es vor allem als Frühstück, Zwischenmahlzeit oder leichtes Zmittag gegessen und hat mit dem Originalrezept wenig bis gar nichts mehr zu tun. In der Gastronomie wird das Birchermüesli oft stark gesüsst und reich mit Schlagrahm garniert, sodass es eher ein Dessert als ein Snack ist.
Von der Protestspeise zum gesunden Fastfood
Bei der 1968er-Bewegung gehörte das Müesli zum alternativen, ökologischen Lebensstil wie die Wollsocken und das Batikshirt. Als «Müslis» werden in Deutschland alternativ lebende Menschen bezeichnet. Ende der 1960er-Jahre schaffte das Müesli dank der Ökobewegung seinen weltweiten Durchbruch. Heute ist es längst keine Protestspeise mehr. Vor allem bei Gesundheits- und Fitnessbewussten ist es beliebt, weil es wenig Fett und Kalorien enthält und trotzdem sehr sättigend ist. Anders als Hamburger, Pommes frites und Kebab ist es ein gesundes Fastfood, das nicht nur schnell zubereitet ist, sondern auch mitgenommen und unterwegs gegessen werden kann.
Auch Sportlerinnen und Sportler sind Müesli-Fans. Die Getreideflocken weisen einen hohen Anteil langsam verfügbarer Kohlenhydrate auf und liefern deshalb die für eine sportliche Leistung nötige Energie. Auch enthalten die Milch bzw. das Joghurt wichtige Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe.
Müesli-Varianten: Abwechslung bringts!
Seit seiner Entwicklung vor über hundert Jahren hat sich das Birchermüesli vielfältig weiterentwickelt. Die wichtigsten Zutaten sind immer noch dieselben: Getreideflocken, Früchte und Milchprodukte. Die Getreideflocken werden durch ca. 30-minütiges Quellenlassen in kaltem Wasser bekömmlicher. Gekaufte Müesli-Mischungen müssen dagegen nicht eingeweicht werden.
Bei den Früchten orientiert man sich am besten am saisonalen Angebot:
Vorsicht mit Ananas und Kiwi: Sie werden in Kombination mit Milchprodukten bitter! Man kann aber auch Dörrfrüchte oder Sultaninen verwenden. Diese lässt man zusammen mit den Getreideflocken im Wasser ziehen. Statt mit Zucker kann das Müesli mit Konfitüre, Honig, Birnel oder Ahornsirup gesüsst werden. Und es kann nach Belieben mit Kernen (z.B. Sonnenblumen-, Kürbiskerne), Sesam oder gehackten Nüssen (z.B. Hasel-, Baumnüsse), evtl. geröstet, verfeinert werden.
Grundrezept: Frühstücksmüesli
Jedem seine Müesli-Mischung
Da am Morgen die Zeit meist knapp ist, lohnt es sich, eine Müesli-Mischung für den Vorrat anzulegen. In einer gut verschlossenen Dose ist sie ca. einen Monat haltbar. Die Mischung aus gerösteten Getreideflocken kann beliebig mit gerösteten Kernen und/oder Nüssen oder mit Dörrfrüchten und/oder Sultaninen angereichert werden. Unser Rezept liefert nicht nur die Anleitung zur Zubereitung der Müesli-Mischung, sondern auch zum Selbertrocknen von verschiedenen Früchten und Beeren.
Rezept: Müesli-Mischung
Anstelle von Dörrfrüchten sind auch in Eiswürfelbehältern tiefgekühlte Fruchtpürees ausserordentlich praktisch. Die benötigte Portion kann jeweils auf einfache Art und Weise entnommen und unters Müesli gemischt werden.
Rezepte
Tipp «to go»: Overnight Oats
Wer am Morgen keine Zeit hat, sich ein gesundes Frühstück zuzubereiten, könnte in den sogenannten Overnight Oats, dem Porridge aus dem Kühlschrank, eine gute Lösung für sich finden. Dieses Powerfrühstück ist im Nu zubereitet, sättigt bis zum Mittag und ist auch ideal zum Mitnehmen. Das Grundrezept ist simpel. Am Abend schichtet man Haferflocken (Oats) und Flüssigkeit (Milch, Rahm, Joghurt, Quark, Mandel-, Reis-, Sojamilch, Wasser oder Fruchtsaft) im Verhältnis 1:4 in ein Einmachglas und lässt die Flocken über Nacht (Overnight) im Kühlschrank durchweichen. Dadurch werden sie leichter verdaulich. Morgens ergänzt man den Brei nach Lust und Laune mit frischen Früchten, Nüssen, Samen, Erdnussbutter, Gewürzen, Honig usw. Ein tolles Frühstück, bei dem es einem nie langweilig wird!
Wussten Sie?
In seinem 1904 am Zürichberg gegründeten Sanatorium «Lebendige Kraft» verordnete Dr. Bircher-Benner seinen Patientinnen und Patienten nicht nur Vollwertkost, sondern auch tägliche Spaziergänge, Sonnenkuren und Bäder. Eiserner Bestandteil jeder Kur waren die Morgenspaziergänge im nahen Wald, die täglich vor dem Frühstück unternommen wurden. Zum Gaudi der Zürcher Strassenwischer und Pöstler, die als einzige in dem vornehmen Quartier schon so früh unterwegs waren und die spazierenden Fremden mit einem freudigen «Vom Bircher?» begrüssten.
Aktualisiert: 16. Juni 2020
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