Die Zwiebel – Scharfmacherin mit Heilkräften
Das Multitalent Zwiebel bereichert unzählige Rezepte. Rund um den Globus ist sie Lebens-, Würz- und Heilmittel in Personalunion und begeistert als Gemüse ebenso wie als Scharfmacherin. Es lohnt sich, die vielschichtige Knolle stets vorrätig zu haben, denn sie hat auch fürs Wohlbefinden immens viel zu bieten.
Weltweit verbreitet und vielseitig genutzt
Jahraus, jahrein haben wir sie griffbereit, sprich, die Zwiebel fällt nur auf, wenn sie fehlt. Neben Salz und Pfeffer gehört die Scharfmacherin zu den meistverwendeten Gewürzen rund um den Globus. Mehr noch: Sie erfreut auch als Gemüse den Gaumen. Überdies zeigt ein Blick über den Tellerrand, dass die vielschichtige Knolle in zahlreichen Kulturen als natürliches Heilmittel gepriesen wird. Von der Jury des deutschen NHV Theophrastus* wurde die Allrounderin zur Heilpflanze des Jahres 2015 gekürt.
In ihrer Laudatio schreiben die Juroren: «Nicht immer muss Medizin bitter sein, damit sie hilft. Gesundheit kann auch schmecken, wie eben die Zwiebel Allium cepa, die bei regelmässigem Gebrauch auf vielfältige Weise das Wohlbefinden bereits als Bestandteil der Nahrung unterstützen kann.»
* Verein zur Förderung der naturgemässen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus e.V.
Kulinarisch begabt und begehrt
Das Multitalent Zwiebel bereichert unzählige Rezepte. Zwiebeln brutzeln in Pfannen, schmoren in Töpfen und aromatisieren kalte Köstlichkeiten. Viele Klassiker der Weltküche verdanken der Zwiebel gar ihre Karriere, etwa die Soupe à l’oignon, die französische Zwiebelsuppe, der Zwiebelrostbraten, die Zwiebelsauce und -schweitze zu Bratwurst, Spätzli/Knöpfli, Hörnli oder Älplermagronen) und natürlich die Zwiebelwähe resp. der Zibelechueche, wie der schmackhafte Fladen in Bern genannt wird. Am jährlich stattfindenden Zibelemärit im November bildet er quasi das kulinarische Highlight.
In der kalten Küche werden Zwiebeln mehrheitlich als Gewürz verwendet, beispielsweise geraffelt in Salatsauce, gehackt auf Canapés, in feinen Ringen zu Aufschnitt und Wurst oder, in Essig eingelegt, als Beilage zu Raclette.
Feine klassische Zwiebelrezepte
Zwiebeln fein hacken: So gehts
Ungeschälte Zwiebel längs halbieren, von der Spitze her Schale abziehen, Wurzelende knapp abschneiden. Jede Hälfte auf die Arbeitsfläche legen, mehrmals längs dicht einschneiden, sodass die Zwiebel am Wurzelende noch zusammenhält. Ein- bis zweimal parallel zur Arbeitsfläche fast bis zum Wurzelende einschneiden. Die Zwiebel nun von der Spitze her in feine Scheiben schneiden, es entstehen durch die vorher gesetzten Schnitte feine Würfeli.
Schneller und erst noch ohne Tränen gehts mit dem Zwiebel-Schneider von Betty Bossi.
Historisch verbrieft und verklärt
«Deine Nahrungsmittel seien deine Heilmittel», empfahl einst Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.), der wohl berühmteste Medicus der Antike. Die alten Griechen assen Zwiebeln zur inneren Reinigung. Die Römer wiederum nutzten sie als Kraftspender auf ihren Feldzügen. In der russischen Volksmedizin galt sie «als heilsam bei sieben Leiden». Zum Beispiel sollte der Genuss roher Knollen bei sibirischer Kälte das innere Feuer schüren.
Ein Effekt, den auch die Heilkundige Hildegard von Bingen (1098–1179) der Zwiebel zuschrieb. Sie empfahl die Zwiebel «für solche, die an Schüttelfrösten leiden oder Fieber oder Gicht haben ...». Auch als natürliches Viagra wurde die Zwiebel gepriesen, wie im «Bornaer Zwiebelbuch» nachzulesen ist: «Wenn deine Frau alt und dein Glied erschöpft ist, iss so viel Zwiebeln, wie du nur kannst!»
Wissenschaftlich getestet
Basierte das Wissen über die Wirkkraft der Zwiebel während rund 5000 Jahren einzig auf Erfahrung, gilt sie heute wissenschaftlich als erwiesen. Studien belegen, dass Zwiebeln vor allem einen antiasthmatischen, antibakteriellen und antioxidativen Effekt haben. Zudem sollen sie das Verdauungssystem ankurbeln sowie helfen, Blutdruck und Cholesterinspiegel zu regulieren.
Je nach Sorte liefern Zwiebeln bis zu 10% Zucker, dazu Enzyme, Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium, Phosphor, Eisen und die Vitamine B, C, E und K sowie gesundheitsfördernde Flavonoide (sekundäre Pflanzenstoffe).
Das grösste Potenzial der Zwiebel sind die schwefelhaltigen ätherischen Öle, die auch für den intensiven Geruch und Geschmack sowie für den Tränenfluss verantwortlich sind. Sobald sie mit Luft in Berührung kommen, vor allem aber, wenn die Zwiebel angeschnitten wird, oxydieren sie. Das Resultat: Die Augen fangen an zu tränen. Ein Effekt, den sich professionelle Klageweiber früher zunutze gemacht haben.
Wirksam von innen und von aussen
Als natürliches Therapeutikum werden Zwiebeln zur inneren und äusseren Anwendung rezeptiert. Zwiebelsaft beispielsweise soll wahre Wunder wirken bei Halsschmerzen und Husten: Zwiebelsirup (Tagesportion) 1 grosse Zwiebel, fein geschnitten, mit 1 Esslöffel Honig oder Zucker mischen, in einem Schälchen zugedeckt über Nacht stehen lassen. Den entstandenen Sirup absieben und alle zwei bis drei Stunden 1 Teelöffel davon einnehmen. Am besten jeden Abend frisch ansetzen. Bei Heiserkeit raten Naturheilkundige, mit Zwiebelwasser zu gurgeln: Zwiebel in dünne Scheiben schneiden, mit ¼ Liter warmem Wasser übergiessen und vier Stunden stehen lassen. Zur äusseren Anwendung wird Zwiebelsaft bei Insektenstichen und kleineren Wunden empfohlen. Zwiebelumschläge und -wickel wiederum sind ein altbewährtes Hausmittel, um bei Ohren- und Halsweh von den stark desinfizierenden Senfölen der Zwiebel zu profitieren: Zwiebeln fein hacken, erwärmen und auf einem Stück Baumwollstoff verteilen. Entweder zu einem Päckchen falten und direkt hinter dem Ohr auflegen oder das Tuch falten und um den Hals wickeln. Etwa zwei Stunden einwirken lassen.
Zwiebeln und Schalotten: Faszinierend vielfältig
Gelbe Zwiebel - die Populäre
Die am meisten verwendete Sorte mit eher scharfem Gout. Geeignet zum Kochen, Dämpfen, Braten, Rösten und für den Rohgenuss.
Rote Zwiebel - die Wohltuende
Favoritin der Spanier, Italiener und Kinder. Mild, leicht süsslich. Enthält doppelt so viele Antioxidantien als andere Zwiebelarten. Mild-würziger Gout. Für Wild, Schmorgerichte und Salade niçoise.
Gemüsezwiebel - die Ausgiebige
Kann bis zu 1 kg schwer sein. Geschmacklich dezenter als die gelbe. Ideal als Gemüse und für Zwiebelwähe oder zum Füllen.
Bundzwiebel - die Knackige
Auch Frühlings-, Winter- und Lauchzwiebel genannt. Milder Gout. Geschätzt für Salate, Quark und asiatische Gerichte.
Schalotte - die Edle
Die Auserwählte der gehobenen Küche. Vielschichtiges Aromabouquet. Begehrt für Rohkost, Fisch und Gemüse. Nicht scharf anbraten.
Saucenzwiebel - die Milde
Sind klein und meist gelb. Sie schmecken auch roh, weil sie von milder Schärfe sind. Saucenzwiebeln sind zu grosse Steckzwiebeln oder zu klein geratene Küchenzwiebeln.
Silber- und Perlzwiebel - die Niedliche
Meist in Essig eingelegt zu geniessen. Als Frischgemüse leicht würziger Geschmack. Köstlich in Schmorgerichten.
Nicht jeder mag sie - nicht jeder verträgt sie
Trotz ihrer weltweiten Verbreitung werden Zwiebeln längst nicht von allen Geniessern goutiert. Wer jedoch behauptet, gegen Zwiebeln allergisch zu sein, ist es wohl eher auf psychologischer denn auf physiologischer Ebene. Zwiebelallergien sind höchst selten. Weniger als ein Prozent leidet darunter. Allerdings können beim Zwiebelschneiden Kontaktekzeme auftreten. In diesem Fall sollten beim Verarbeiten von Zwiebeln Handschuhe getragen werden.
Eine häufig beklagte Nebenwirkung von Zwiebeln sind hingegen Blähungen und die schwere Verdaulichkeit. Hier gilt: Im Zweifel Zwiebeln weglassen. Auch wird bei gewissen Beschwerden wie Gastritis vom Genuss abgeraten.
Tipp: Gegarte Zwiebeln verursachen generell weniger Probleme als rohe.
Text: Stephanie Riedi
Aktualisiert: 27. Dezember 2021