Die Vorspeise: Fulminanter Auftakt
In Italien heissen sie Antipasti, in Spanien Tapas, in Frankreich Horsd’œuvre, im Orient Mezze. Es handelt sich dabei um kleine, aber feine Gerichte, die zum Apéritif, als Vorspeise eines festlichen Dinners, als Hauptgang oder einfach so zwischendurch genossen werden.
Horsd’œuvre: Auftakt auf Französisch
Auf Französisch heisst die Vorspeise Horsd’œuvre, was so viel bedeutet wie «ausserhalb des Werkes», also des Menüs. Im klassischen Menü bildet es den ersten Gang eines Mahls und soll Appetit auf die nachfolgenden Gerichte machen, ohne zu üppig zu sein. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Entrée, das in Wirklichkeit nicht an erster Stelle in der Menüfolge kommt, sondern erst an dritter, nämlich nach dem Horsd’œuvre oder der Suppe und dem Fisch oder einem anderen Gericht. Gelegentlich wird das Horsd’œuvre mit dem Amuse-Gueule oder Amuse-Bouche verwechselt, dem Appetithäppchen, das Spitzenköche ihren Gästen gerne als raffinierten Gruss aus der Küche senden, bevor diese sich dem eigentlichen Menü zuwenden.
Ob Vorspeise oder Häppchen: Die Begriffe werden heute nicht mehr so eng gefasst. Und die kleinen, feinen Gerichte werden längst nicht mehr nur als Auftakt zu einem Festmenü gegessen. Ganz nach dem Vorbild der orientalischen Mezze und der mediterranen Tapas und Antipasti werden sie gerne als vollwertige Begleiter zu einem Glas Wein oder Bier in gemütlicher Runde genossen - und machen weitere Gänge gar überflüssig.
Mezze & Co.: Happening mit Häppchen
Im Arabischen heissen sie «mezze», im Türkischen «meze» bzw. «mezeler» (Mehrzahl), im Griechischen «mezé» bzw. «mezédes» (Mehrzahl). Das Wort kommt vom Persischen «maze», was Geschmack bzw. Snack bedeutet. In der levantinischen Küche (Türkei, Griechenland, Jordanien, Libanon, Syrien, Palästina, Israel) versteht man darunter eine Auswahl von kalten und warmen Appetithäppchen oder kleinen Gerichten, die zu einem alkoholischen Getränk gegessen werden. Meist ist es ein Anisschnaps: in der Türkei Raki, in Griechenland Ouzo, im Libanon Arak. Es wird aber auch Wein dazu getrunken.
Mezze werden ebenso als Vorspeise und als reichhaltiges Mahl, zum Beispiel bei einem Familienfest, aufgetischt. Folgende Gerichte dürfen nicht fehlen:
Hummus (arab.): Kichererbsenpüree
Mutabbal (arab.), Baba Ghanoush (arab.) oder Melitzanossaláta (griech.): Auberginenpüree
Kibbeh (arab.): Getreide-Hackfleisch-Bällchen
Taboulé (arab.): Bulgur-Salat mit Petersilie und Pfefferminze
Fattoush (arab.): Gemüse-Brot-Salat
Börek (türk.): Strudel mit einer Füllung aus Hackfleisch, Schafkäse, Spinat und anderem Gemüse
Tzatziki (griech.): Joghurt mit Gurken und Knoblauch
Dolmades bzw. Ntolmadákia (griech.) oder Dolma (türk.): mit Reis und Hackfleisch gefüllte Weinblätter
Mezze werden von Hand mit Fladenbrot (Pitta, türkisch Pide) gegessen.
Tapas: Deckel mit noch etwas drauf
Tapa heisst so viel wie Deckel, Abdeckung. Einige führen die Bezeichnung auf einen Brauch zurück, der in andalusischen Tavernen üblich war: Um die Fruchtfliegen abzuhalten, sollen Sherry-Trinker ihre Gläser mit Brotscheiben zugedeckt haben. Die Gastwirte sollen dann damit begonnen haben, das Brot mit kleinen Snacks zu beschweren. Und bald schon wurde es üblich, den Sherry mit einer Tapa zu servieren. Noch heute dienen die Tapas vielfach als Deckel: Weil sie in Spanien meistens im Stehen gegessen werden, sieht man sich oftmals gezwungen, seinen Teller aufs Glas zu stellen.
In Spanien ist das Tapas-Essen ein Ritual. Vor dem Mittag- oder Abendessen schlendert man von Bar zu Bar und gönnt sich zum Sherry, Wein oder Bier immer wieder ein Häppchen. Zuweilen ersetzen die appetitlichen Häppchen auch die Hauptmahlzeit. Die Angebotspalette ist gross: Kalte Tapas wählt man an der Theke, warme Tagesspezialitäten bestellt man ab der Schiefertafel. Manche Lokale haben sich auf bestimmte Zutaten oder Gerichte spezialisiert.
Hier eine kleine Auswahl von beliebten Tapas:
Aceitunas: Oliven, z.B. gefüllt mit Mandeln oder Sardellen
Almendras: Mandeln, geröstet und gesalzen
Tomatenbrote: geröstetes Weissbrot mit Tomatenwürfeln
Tortilla: spanische Omelette mit Kartoffeln und Gemüse
Albóndigas con salsa de tomate: Fleischbällchen mit Tomatensauce
Calamares a la romana: frittierte Tintenfische
Champiñones: Champignons mit Knoblauch
Serrano- oder Ibérico-Schinken: luftgetrockneter Schinken vom weissen bzw. iberischen (schwarzen) Schwein (pata negra)
Antipasti: Was vor der Mahlzeit kommt
Antipasto bedeutet «vor der Mahlzeit» und beschreibt im Italienischen denjenigen Gang, der in der Regel vor der Pasta eingenommen wird. Viele italienische Restaurants präsentieren ihre Köstlichkeiten auf einem Buffet. Mit den Antipasti stimmt man sich für die folgenden drei Gänge (Pasta, Hauptgericht mit Fleisch oder Fisch, Dessert) ein. In einer Osteria oder einer Weinbar kann man die kleinen Leckereien aber auch zwischendurch zu einem guten Gläschen geniessen. In Venedig zum Beispiel geht man auf eine «ombra». Was so viel bedeutet, dass man in einem gemütlichen Lokal etwas trinken, ein Häppchen essen und mit Bekannten plaudern geht. «bàcari» werden die traditionellen Weinschenken in der Lagunenstadt genannt, sie sind etwa zu vergleichen mit den spanischen Tapas-Bars.
Zu einem italienischen Antipasti-Buffet gehören folgende Gerichte:
Crostini in allen Variationen: geröstete Weissbrotscheiben mit z.B. Gemüse, Sardinen, Olivenpaste, Hühnerleber, Rohschinken
Carpaccio: hauchdünne Rindfleischscheiben mit Parmesan
Bresaola: luftgetrocknetes Rindfleisch aus dem Veltlin
Insalata caprese: Salat mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum
Mariniertes Gemüse: z.B. Peperoni, Zucchini, Schalotten
Vitello tonnato: kalte Kalbfleischscheiben mit Thonsauce
Sarde in saòr: marinierte Sardinen
Cozze gratinate: gratinierte Miesmuscheln
Zakouski: Gastfreundschaft auf Russisch
In Russland gibt es eine ähnliche Tradition. Vor der eigentlichen Mahlzeit werden zu Wodka verschiedene kalte und warme Speisen gereicht. Diese heissen Zakouski und sind eng mit der sprichwörtlichen russischen Gastfreundschaft verbunden. Wenn unangemeldeter Besuch auftaucht, serviert die russische Hausfrau ihren Gästen schnell Wodka und ein paar kleine Plättchen mit Sachen, die sie im Vorrat hat. Während der Besuch etwas zwischen den Zähnen hat, eilt sie in die Küche, um in aller Ruhe das eigentliche Mahl zuzubereiten. Das Wort «zakouska» wird übrigens vom Verb «kousat» abgeleitet, was «beissen, nagen, kauen» bedeutet.