Einfach bäumig, diese Baumnüsse!
Baumnüsse sind eines der kostbarsten Geschenke, das uns der Herbst beschert. Sie lassen sich kulinarisch für Pikantes und Süsses verwenden, sind lange haltbar und kerngesund. Zudem können Baumnüsse rübis und stübis genutzt werden. Ihre Qualitäten waren denn auch schon unseren Ahnen Gold wert. Höchste Zeit, dieses kulinarische Kernkraftwerk entsprechend zu würdigen.
Kostbare Knacknuss
Verpackungen bergen Geheimnisse, die entdeckt werden wollen und uns darum umso kostbarer erscheinen. Zu Recht, wie die Baumnuss zeigt. Ist die pickelharte Schale erst einmal geknackt, offenbart sich ein knorriges Urgebilde in formvollendeter Symmetrie.
Und was das kleine Wunderwerk alles zu bieten hat! Es krönt Kästeilete und Zvieriplättli, verleiht Süssem eine herbe Note und Pikantem das gewisse Etwas. Ob unreif grün, ausgereift oder getrocknet, ob ganz oder gehackt, ob zu Öl, Mehl oder Tee verarbeitet: Baumnüsse sind kulinarische Allrounderinnen und darüber hinaus buchstäblich kerngesund. Schon unsere Altvorderen vertrauten in ihre zahlreichen Qualitäten. Baumnüsse dienten einst als Zahlungsmittel, Orakelhilfe und Grabbeigabe. Kurzum: Die Frucht ist eine Knacknuss, deren Verpackung bzw. Schale hält, was sie verspricht.
Kulinarische Vorlieben dies- und jenseits des Röstigrabens
Wenns um die Nuss geht, wird der Rösti- zum Baumnussgraben. In der Deutschschweiz zeigt man sich verblüffend wenig kreativ im Umgang mit den göttlichen Früchtchen. Was natürlich auch an den Vorlieben der Bäume liegt, die mildes Klima mehr mögen. Ausser dem delikaten Dauerbrenner «Tuorta da Nusch» (Engadiner Nusstorte) finden sich in der Deutschschweiz kaum Baumnussklassiker. Im Gegensatz zur Süd- respektive Westschweiz: Die Tessiner und die Romands können sich auf ein geradezu virtuoses Baumnuss-Rezeptrepertoire berufen. Unzählige traditionelle Spezialitäten locken mit Geschmacksfreuden vom Feinsten.
Frisch geknackt munden Baumnüsse zu Käse - speziell zu Weichkäse, Trauben, Trockenwurst, Most, Sauser und Wein. Fein gehackt sind sie in der Deutschschweiz vor allem für Backwaren gefragt.
Relativ schnell gemacht sind auch die begehrten Baumnuss-Guetzli aus den USA: Brownies! Etwas mehr Zeit erfordert unser Nuss-Kernen-Brot. Doch der Aufwand lohnt sich! Baumnussbrot bietet übrigens eine schmackhafte Basis für Snacks, z.B. für Pilz-Toasts.
Pikante Gerichte mit Baumnüssen geniesst man vor allem in der Süd- und Westschweiz. Im Tessin etwa schätzt man die Früchte als Pesto oder Aromenspender für Mascarpone und Gorgonzolasauce zu Pasta. Auch in Involtini-Farcen kommen sie gut an: Unsere Fleischvögel mit Baumnüssen und Dörrpflaumen sind eine Hommage an die gluschtige Idee.
Finessenreiches Früchtchen
Hüben wie drüben ist man sich einig, dass die Baumnuss mannigfaltige Qualitäten zu bieten hat. Nicht nur der Kern wird geschätzt, sondern auch das Öl und das Mehl, die daraus gewonnen werden.
Öl
Baumnussöl hat grenz-, pardon, grabenüberschreitend Karriere gemacht. Die Qualitäten sind jedoch recht unterschiedlich. Geschälte Bio-Baumnüsse, kalt gepresst ergeben ein besonders bekömmliches Öl.
Wegen des intensiven Geschmacks und relativ hohen Preises dient Baumnussöl vor allem zum Aromatisieren und Abschmecken von Salaten und Saucen.
Tipp: Baumnussöl ist wenig lange haltbar. Deshalb kleine Mengen einkaufen und im Kühlschrank lagern.
Mehl
Baumnussmehl ist eigentlich ein Abfallprodukt. Bei der Ölpressung entsteht Nusstrester von erlesen aromatischem Geschmack. Dieser Trester oder eben das Mehl ist in Ölmühlen erhältlich. Es eignet sich hervorragend in Kombination mit Dinkel- oder Weizenmehl und schmeckt in Brot, Crêpes oder Kuchenteig.
Tipp: Baumnussmehl unbedingt sieben, da es Schalenteile enthalten kann. Im Kühlschrank aufbewahren.
Das Geheimnis der Grünen
Noch grüne Baumnüsse sind der Geheimtipp traditioneller Spezialitäten und damit verbundenen Bräuchen. Im Tessin beispielsweise trifft man sich am 24. Juni, dem Tag des San Giovanni (Johannistag), um gemeinsam die grünen Nüsse einzusammeln. Zu Hause werden sie nach Geheimrezept als Ganzes, geviertelt oder gehäckselt, geschält oder ungeschält in Grappa eingelegt. 40 Tage im Dunkeln gelagert, angereichert mit Gewürzen oder Zucker, entwickelt sich daraus der legendäre Nocino, auch bekannt als Ratafià.
Tipp: Nocino verleiht Desserts eine subtil herbe Geschmacksnote. Als Kostprobe empfehlen sich unsere unwiderstehlichen Mascarpone-Kugeln!
Ebenfalls aus den Grünen entstehen die berühmten schwarzen Baumnüsse. Eine Leckerei, die früher in ländlichen Gegenden weit verbreitet war. Der Zeitaufwand ist jedoch happig und wohl der Grund, warum die schwarzen Nüsse nur noch selten zu geniessen sind. Die Verarbeitung dauert mehrere Tage, der Reifeprozess im Sirup gar Monate oder Jahre. Schwarze Baumnüsse sind aufgeschnitten eine Delikatesse zu Wild, Rind, Pasteten und Käse.
Kerngesunde Allrounderin
Von wegen dumme Nuss! Die Beleidigung entlarvt deren Urheber selbst als Banausen. Baumnüsse sind Hirnnahrung pur! Überhaupt steht die Nuss im Ruf, ein wahres Kraftpaket zu sein: Sie ist reich an Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen, Spurenelementen, Eiweissen sowie Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.
Da lohnt es sich doch, die Supernuss vielseitig einzusetzen! Halbe Nüsse sind ein dekorativer Blickfang auf Torten und Guetzli. Grob gehackt ist sie universelle Backzutat - nicht nur zur Weihnachtszeit! - knuspriges Topping auf Glacen, Coupes und Cupcakes und abwechslungsreiches i-Tüpfelchen auf einer sämigen Herbstsuppe. Wer sich schon morgens etwas Gutes tun will, mischt unters Müesli ein paar fein gehackte Baumnüsse - ein Superstart in einen erfolgreichen Tag!
Text: Stephanie Riedi
25. Juli 2015