Zwetschgen – das blaue Wunder!
Sie ist die Blaublütige unter dem Steinobst: die Zwetschge. Sie sorgt für königliche Genüsse, edle Tropfen und ist für manche kulinarische Überraschung gut. Traditionelle Sorten wachsen immer noch auf Hochstammbäumen – wer Zwetschgen isst, tut also nicht nur sich etwas Gutes, sondern auch unserer schönen Landschaft.
Freches Früchtchen, edelblau
Das freche Früchtchen ist wieder da: Die Saison der Zwetschge, der Königin des Steinobsts, hat begonnen! In der saftigen Familie von Pfirsich, Kirsche, Aprikose, Nektarine und Co. ist die Edelblaue ein äusserst beliebter Leckerbissen. Sie kennt die sprichwörtliche harte Schale und den weichen Kern nicht, bei ihr ist es umgekehrt: Innerlich ist sie hart, und äusserlich strotzt sie vor weichem und süssem Fruchtfleisch.
Um die Heimat der Zwetschge ranken sich Legenden, wahrscheinlich ist, dass sie aus dem Orient stammt und um 150 vor Christus von römischen Legionären nach Italien gebracht wurde. Auch der Unterschied zwischen Zwetschgen und Pflaumen ist immer wieder ein Thema, da die beiden sich ähnlich sehen: Zwetschgen sind von länglicher Form, Pflaumen hingegen sind eher rundlich.
Bis Mitte Oktober gilt es nun, das einheimische Zwetschgenangebot zu nutzen. Ob du Zwetschgen gerne als pures Früchtchen isst oder sie lieber weiterverarbeitest, bliebt deinem Geschmack überlassen, sicher ist dabei eines: Die Zwetschge kann von der Vorspeise bis hin zum Dessertschnäpschen in die gesamte Menüplanung eingebracht werden.
Von der Vorspeise bis zum Dessert
Frisch vom Baum schmeckt die aromatische Zwetschge natürlich besonders gut; darüber hinaus gibt es aber viele weitere Verwendungsmöglichkeiten für den süssen Vorboten des Herbstes. In ein Menü gepackt, könnte dies folgendermassen aussehen und munden: Dörrzwetschgen im Speckmantel zum Apéro, als Vorspeise eine Tomaten-Zwetschgen-Suppe und als Hauptgang ein mit Zwetschgen gefülltes Pouletbrüstli, das mit einer süss-sauren Zwetschgensauce serviert wird. Zum süssen Abschluss präsentierst du ein Zwetschgen-Mandelherz – ein krönender Abschluss für ein Zwetschgen-Menü mit Herz!
Natürlich sind das ein bisschen viel Zwetschgen für eine einzige Mahlzeit, aber die Menüabfolge zeigt, wie vielseitig Zwetschgen sind. Am beliebtesten ist die Zwetschge wahrscheinlich immer noch als Dessert oder süsses Znacht – der süsse Zwetschgenkosmos ist fast unergründlich: Sorbet, Creme, Mus oder Parfait aus frischen oder gedörrten Zwetschgen sind herrliche Gaumenfreuden, etwas herzhafter munden Strudel, Aufläufe, Kuchen oder Wähen. Kinder geniessen dazu einen coolen Zwetschgensirup, und die Erwachsenen lassen sich nach dem Essen einen Zwetschgenschnaps schmecken und können sich jetzt schon ein bisschen auf die kalte Jahreszeit vorfreuen: Dann geniesst man beim geselligen Zusammensein dann und wann einen legendären Kafi Zwetschge.
Zwetschgen für Leib und Seele
Ein regnerischer Sommer wirkt sich nicht nur auf die Laune der Menschen, sondern auch auf die Qualität der Zwetschgen aus. Auch wenn deren Standortanspruch gering ist: Schlechtes Wetter schadet der Entwicklung der Frucht. Angebaut wird das blaue Früchtchen hauptsächlich in der West- und Nordostschweiz, aber auch in der Zentral- und Ostschweiz sowie im Bernbiet sind Zwetschgenbäume verbreitet.
Nach wie vor stammen viele Zwetschgen von Hochstammbäumen, unterdessen werden aber auch Niederstammanlagen mit neuen Sorten angebaut, dank denen grossfruchtiges Obst gewonnen wird. In der Schweiz werden pro Jahr und Person ca. 1,5 kg Zwetschgen konsumiert – ein gesunder Genuss, denn Zwetschgen enthalten viele Vitamine, die die Nerven und das Immunsystem stärken und so helfen, Stress besser auszuhalten und Verstimmungen vorzubeugen. Ihr Fruchtzucker ist nicht nur ein natürlicher Energiespender; er macht sie auch nahrhaft und ideal, um sie zu dörren; so wiederum tun sie dem Magen wohl.
Alte Sorten - neue Züchtungen
Bühler, Fellenberg, Hauszwetschge, Hermann, Elena, Cacaks Schöne, Cacaks Fruchtbare oder Hanita: So heissen die verschiedenen Zwetschgensorten, die in der Schweiz von Mitte Juli bis Mitte Oktober erhältlich sind. Für die genauen Verfügbarkeiten lohnt es sich, die Website www.swissfruit.ch zu konsultieren. Bekannt sind vor allem die Bühler- und die Fellenberg-Zwetschge, Letztere gilt als Sorte mit einem ausserordentlich guten Aroma, dafür ist sie im Gegensatz zur Bühler weniger robust.
Die sogenannte gelbe Zwetschge ist uns als Mirabelle bekannt; sie ist vergleichsweise klein und in den Farbtönen Gelb bis Rot erhältlich. Ihr Stein ist rund und gut vom Fruchtfleisch zu lösen, Mirabellen gelten als sehr aromatisch und werden gerne zu Konfitüre, Getränken oder Kuchen verarbeitet.
Daneben gibt es die Reineclaude, die auch Rundpflaume genannt wird: Reineclauden sind gelblich, grün bis bräunlich-dunkelgrün und schimmern erst dann rötlich, wenn sie reif sind, allerdings gibt es auch gelbe und rosafarbene Sorten. Sie sind ebenfalls süss, haben aber auch eine würzige Note und eignen sich tipptopp für Konfitüren oder Cremen. Ihr Kern ist allerdings nur schwer aus dem Fruchtfleisch zu lösen.
Zwetschgen für den Vorrat: Tiefkühlen
Zwetschgen eignen sich hervorragend zum Tiefkühlen. Es lohnt sich also, während der Zwetschgen-Hochsaison so richtig aus dem Vollen zu schöpfen und einen fruchtigen Vorrat anzulegen:
Zwetschgen: halbieren, entsteinen, lose gefrieren, in Beutel abfüllen, tiefkühlen.
Mirabellen: nur als Püree (Coulis) tiefkühlen.
Tipp: Vorbereitete Früchte wie für eine Wähe auf 1 Blech (ca. 28cm Ø) legen, gefrieren. Früchte in einen Tiefkühlbeutel füllen, tiefkühlen. Ergibt 1 Wähenportion.
Wichtig: Früchte in gefrorenem oder angetautem Zustand verwenden (z.B. für Wähe), so bleibt ihre Form besser erhalten. Für Wähen mit tiefgekühlten Früchten den Teigboden mit gemahlenen Nüssen oder Mandeln bestreuen. So wird der Wähenboden knusprig.
Zwetschgen mit Duft
Der weisse Film auf Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen und Reineclauden ist nichts Beunruhigendes, sondern eine natürliche Schutzschicht gegen das Austrocknen. Er wird auch Duft oder Reif genannt. Je intakter der Duftfilm, desto weniger wurden die Früchte berührt und desto frischer sind sie.
Zwetschgensenf
Was macht man mit übrig gebliebenem Steinobst? Wegwerfen sicher nicht. Einfrieren wäre eine Möglichkeit oder aber Weiterverarbeiten. Falls du Zwetschgenresten hast, empfehlen wir dir dieses feine Rezept: 300 g Zwetschgen, halbiert, entsteint, in Stücken, mit 1 dl Aceto balsamico bianco in einer Pfanne unter Rühren aufkochen, unter gelegentlichem Rühren bei mittlerer Hitze ca. 15 Min. köcheln, pürieren. Püree zurück in die Pfanne giessen. 50 g gelbe Senfkörner, ½ Teelöffel schwarze Pfefferkörner, 3 Pimentkörner im Cutter fein mahlen, beigeben. 2 EL Zucker und ½ TL Salz daruntermischen, unter Rühren aufkochen, Hitze reduzieren, unter ständigem Rühren bei kleiner Hitze ca. 5 Min. köcheln, bis die Masse dicklich ist, siedend heiss in saubere, vorgewärmte Gläser füllen, sofort verschliessen, auf isolierender Unterlage auskühlen.
Powidl, Zwetschgendatschi und Sliwowitz
Andere Länder – andere Sitten: Auch in unseren Nachbarländern wird die Zwetschge verehrt und verzehrt. Zwetschgenkuchen heisst in Bayern Zwetschgendatschi. In Österreich verarbeitet man die Früchte zu Zwetschgenmus, dem Powidl, der sehr gut zu Dampfnudeln passt. Besonders in Wien geniesst man die klassischen Germknödel (eine üppige Mehlspeise, die wie Dampfnudeln gekocht wird) gerne mit Zwetschgenpowidl gefüllt. Für dieses stark eingekochte Zwetschgenmus existieren regional unterschiedliche und lustige Namen: Von Latwerge über Leckschmiere bis Laxem.
Ausserdem werden die Zwetschgen zu Zwetschgenwasser gebrannt; dieser Schnaps ist in Osteuropa als Sliwowitz (Slibowitz, Slivovic, Slivovitz) bekannt. Der grossräumige Erfolg der Zwetschgen mag darin wurzeln, dass der Zwetschgenbaum als Glücksbringer gilt. Schon die alten Ägypter waren verrückt nach den Früchten. Im Grab des Kha, eines berühmten Architekten von Theben, fand man gedörrte Zwetschgen.
Text: Tania Kummer
Aktualisiert: 16. August 2021